»Organspende als Akt der Nächstenliebe empfehlen – dazu kann ich mich nicht durchringen.«

»Organspende als Akt der Nächstenliebe empfehlen – dazu kann ich mich nicht durchringen.«

Nächstenliebe ist mein Job – nicht nur als Theologin, auch als Chefin einer diakonischen Einrichtung, die Altenwohnheime, Behindertenhilfe und psychosoziale Beratungen anbietet. Die Menschen, für die wir arbeiten, sind meine Nächsten. Meine Nächsten sind aber ebenso auch meine Kinder und meine Eltern, meine Freundinnen und Freunde. Ihnen allen gilt meine Liebe und meine Fürsorge. Dass Nächstenliebe dabei immer auch Gefahr läuft, zur Überforderung zu führen, weiß ich aus eigener Erfahrung.

Menschen moralisch unter Druck zu setzen mit dem Argument der Nächstenliebe ist deshalb für mich keine Option. Menschen zu einer Handlung oder einer Entscheidung zu drängen – „Das solltest Du tun, schon aus Nächstenliebe“ – ist für mich nicht akzeptabel. Das gilt für die so genannten kleinen Dinge des Lebens – jemandem bei alltäglichen Erledigungen zu helfen etwa – genauso wie für die ganz großen Fragen. Und dazu gehören die Fragen nach Leben und Sterben.

Deshalb dürfen wir, weder als Kirche noch als Gesellschaft noch als Einzelne, andere nicht unter Druck setzen, indem wir sagen: „Dass solltest Du jetzt aber mal tun, schließlich sind wir doch alle dazu aufgerufen, Nächstenliebe auszuüben.“ Die Bereitschaft, Organe zu spenden, muss eine Entscheidung bleiben, die Menschen treffen können, ohne dass Druck dazu auf sie ausgeübt wird. Denn es gibt genauso gute Gründe, sich dagegen zu entscheiden oder sich nicht zu entscheiden.

 

Angelika Weigt-Blätgen
ist Leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen und stellvertretende Vorsitzende der Evangelischen Frauen in Deutschland. 

 

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