Medizinethische Fragen beschäftigen mich seit vielen Jahren – bis vor kurzem auch als Mitglied des Deutschen Ethikrats.
Es ist wichtig, dass eine Gesellschaft die grundlegenden Fragen, die sich uns heute stellen, ernst nimmt und sie nicht als zu schwierig oder als zu unbequem beiseiteschiebt. Eine besonders wichtige Frage, die sich uns durch die atemberaubende Entwicklung der modernen Medizin stellt, lautet: „Wann ist der Mensch tot?“
Über Jahrhunderte galten hierfür die uns bekannten klassischen Todeszeichen wie Leichenstarre oder Todesflecken. Heute kann die medizinische Diagnostik den Tod oder das unumkehrbare Sterben eines Menschen sehr viel früher feststellen. Die Todesschwelle muss daher neu definiert werden. Eine Definition lautete bisher: Der „Hirntod“ ist das notwendige und hinreichende Kennzeichen, dass ein Mensch tot ist. Alle Teile des menschlichen Gehirns haben ihre Funktionsfähigkeit verloren und erlangen sie auch nicht wieder.
Auch wenn die Medizin mit Sicherheit sagen kann: „Dieser Mensch wird nicht ins Leben zurückkehren“, bleiben doch Zweifel, ob der Hirntod tatsächlich schon der Tod des Menschen ist. Denn wir wissen inzwischen auch, dass „hirntote“ Menschen über viele Jahre hin bei künstlicher Beatmung am Leben erhalten werden können. Sie können verdauen und ausscheiden, Geschlechtsreife erlangen und von gesunden Kindern entbunden werden.
Deshalb meine ich: Wir müssen genau unterscheiden zwischen Tod und Hirntod – nicht zuletzt, um das Vertrauen in die moderne Medizin und in die Transplantationsmedizin zu erhalten und zu befördern.
Professor Dr. Martin Hein war Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und Mitglied des Deutschen Ethikrates.
Foto: medio.tv/schauderna
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