Wenn alle Teile des menschlichen Gehirns ausfallen, also Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm nicht mehr funktionsfähig sind, und dieser Ausfall irreparabel ist, spricht die Medizin vom Hirntod. Der Hirntod ist ein Kind der sich rasant entwickelnden Intensivmedizin der vergangenen 60 Jahre. Den Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen etwa durch eine Hirnblutung oder schwere Kopfverletzungen hat es auch zuvor schon gegeben, nur folgte dann – ohne die Möglichkeit, den hirngeschädigten Menschen vorübergehend oder auch dauerhaft beatmen zu können – unweigerlich binnen weniger Minuten der Ausfall des Herz-Kreislauf-Systems und der Organ-Funktionen und damit der Tod des Menschen.
Ärztinnen und Ärzte standen mit der Entwicklung der Beatmungstechnologie vor der Frage, wie sie mit einem Menschen umgehen sollten, der ohne künstliche Beatmung nicht mehr lebensfähig war. Sie brauchten rechtliche Sicherheit, wann und unter welchen Umständen bei solchen Patientinnen und Patienten die Beatmung eingestellt werden durfte. Unter diesen Bedingungen – und in einer Zeit, als erstmals ein menschliches Herz transplantiert wurde – entstand in den USA das Hirntodkonzept.
Die neue Todesdefinition wurde zur Grundlage der modernen Transplantationsmedizin. Denn Organe, die verpflanzt werden, um schwerkranken Menschen ein besseres Leben oder überhaupt ein Weiterleben zu ermöglichen, müssen durchblutet sein, sonst sind sie nicht mehr funktionsfähig. Und Organe, die nicht mehr durchblutet sind, können auch nicht transplantiert werden.
Die ursprünglich festgelegten Kriterien für den Hirntod sind immer wieder verändert worden. In Europa – und auch im Eurotransplant-Verbund, dem Deutschland angeschlossen ist – gelten zum Teil sehr unterschiedliche rechtliche Grundlagen. Wird in Deutschland der Hirntod eines Menschen festgestellt, so endet der Vertrag mit der Krankenkasse und der oder die Hirntote wird entweder weiterhin beatmet, intensivmedizinisch versorgt und für die Organentnahme vorbereitet, oder die Beatmung wird abgestellt und der Patient oder die Patientin verstirbt.
Die Todesdefinition Hirntod ist bis heute umstritten. Vor gut zehn Jahren sorgten die Forschungsergebnisse des amerikanischen Neurologen Alan Shewmon für heftige Diskussionen: Bis zu 14 Jahren konnten hirntote Menschen mit künstlicher Beatmung überleben, verdauen, ausscheiden, Geschlechtsreife entwickeln, von gesunden Kinder entbunden werden, so seine Beobachtungen.
In Deutschland ist für die postmortale Organspende gesetzlich festgelegt, dass nur Organe von Toten transplantiert werden dürfen. Darüber hinaus bestimmt das deutsche Transplantationsgesetz, dass vor der Organentnahme der vollständige Ausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm, das heißt: der Hirntod festgestellt worden sein muss. Dass hirntote Menschen tot seien, wird im Gesetz allerdings nicht definiert; auf diese Definition hat sich die Bundesärztekammer verständigt.
Wir sind – mit vielen anderen Menschen aus Medizin, Ethik, Theologie und Philosophie – der Meinung, dass Hirntote Sterbende sind, deren Sterbeprozess entweder mit Einstellen der künstlichen Beatmung oder mit der Organentnahme abgeschlossen wird. Zu diesem Ergebnis kamen auch Mitglieder des Deutschen Ethikrates in ihren jüngsten Beratungen zum Hirntod.
Deshalb halten wir es für notwendig, dass in Deutschland die gesetzliche Regelung, dass nur Organe von Toten transplantiert werden dürfen, aufgegeben wird. Hierbei muss jedoch ohne jegliche Ausnahme festgelegt werden, dass der Hirntod – und zwar ohne weitere Aufweichung der Kriterien zu seiner Feststellung – Voraussetzung für die Organspende bleiben muss. Menschen mit Herzversagen müssen unter allen Umständen als Organspendende ausgeschlossen bleiben.
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